Thema Stottern

Beim Sprechvorgang ruft das Gehirn nicht einzelne Laute, sondern vorgefertigt gespeicherte Silben ab. Das spart Zeit und Konzentration, denn immerhin sind allein an der Aussprache unzählige Muskeln beteiligt. Sie alle wollen koordiniert werden.

Im Unterschied zu fließend Sprechenden kommt bei Stotternden gerade hier eine mit hoher Wahrscheinlichkeit genetisch bedingte Besonderheit zum Tragen. Die Einheit der Silbe wird „zertrümmert“, indem bei Vokalen für den Bruchteil einer Sekunde die Schwingung der Stimmlippen unterbrochen wird. Wie auf diese Unterbrechung reagiert wird und welche hörbaren, bzw. spürbaren Symptome daraufhin entstehen, kann variieren.

Im Kern äußert sich Stottern jedoch in Form von unfreiwilligen Wiederholungen (Ta-ta-ta-tanne) von Lauten und Silben Lautdehnungen (Wwwwwwand) oder Blockierungen, bei denen die Sprechbewegung völlig „steckenbleibt“, obwohl versucht wird, mit aller Kraft gegen schwierige Laute anzukämpfen (——–Affe). In der Folge werden Wörter häufig abgebrochen, durch leichtere ersetzt oder überhaupt ausgelassen.

Zusätzlich zu diesen sogenannten „Kernsymptomen“ entwickeln manche Stotternde außerdem „Begleitsymptome“, die mitunter sogar auffälliger sein können als das ursprüngliche Stottern selbst. Viele versuchen mit vermehrter Anstrengung ein Stotter-Ereignis zu beenden – beispielsweise durch Lauter-Werden, bzw. Mitbewegungen von Kopf, Mimik oder Arm. Sie brechen den Blickkontakt zu ihrem Gegenüber ab oder fahren sich mit der Hand durch die Haare. Manches wird im Laufe der Zeit automatisiert und entwickelt ein Eigenleben.

Andere Begleitsymptome wie beispielsweise Flüstern, Sprechen mit Singsang, Umformulieren und Ersetzen gefürchteter Wörter, Einschieben von „ähm“ und anderen Füllwörtern zielen darauf ab, entweder das Stottern oder gar die ganze Sprechsituation zuvermeiden. Gefühle wie Kontrollverlust, Wut oder Scham schleichen sich ein und sind oftmals die
Folge negativer Reaktionen der Umwelt.

Während noch fünf Prozent aller Kinder beginnendes Stottern zeigen, geht es im Laufe des Erwachsenwerdens auf ein Prozent der weltweiten Bevölkerung zurück. Gleichzeitig steigt – der ursprünglich mit 2:1 angegebene – männliche Anteil innerhalb der Geschlechterverteilung an und endet bei einem Verhältnis von 4 bis 5 stotternden
Männern pro stotternder Frau. In Österreich gibt es demnach etwa 84.000 Erwachsene, die stottern. Stottern ist also weit mehr als das, was wir sehen und hören können. Und kann je nach individuellen Einflüssen zusätzlich verstärkt werden. Verlauf und Qualität der Sprachentwicklung in der Kindheit sind ebenso entscheidend, wie psychosoziale Faktoren oder hoher Sprechdruck innerhalb der sozialen Umgebung.

Den individuell passenden Umgang mit dem ständigen, sich immer wieder auch verändernden Begleiter, bleibt für all jene, die ihr Stottern nicht innerhalb der Kindheit wieder verlieren, in der Regel ein lebenslanger, dynamischer und nicht zuletzt sehr individueller Prozess.

 

Grundsätzliches  zur Behandlung des Stotterns

Stottern beginnt meist im Alter zwischen 2 und 5 Jahren. Kinder, die stottern, verlieren für Momente die Kontrolle über ihr Sprechen. Eine Stottertherapie kann frühestens mit zweijährigen Kindern begonnen werden. Nach oben gibt es keine Altersbeschränkung.Aber nicht jedes stotternde Kind und auch nicht jeder Erwachsene oder Jugendliche braucht Therapie. Bei Kindern einerseits deshalb, weil viele ihr anfängliches Stottern von selbst wieder verlieren, ohne dass derzeit vorhersagbar wäre, bei welchen Kindern dies tatsächlich der Fall sein wird.

Wenn ein Kind allerdings ungünstige Strategien zur Überwindung oder Vorbeugung der Stotterereignisse (z.B. muskuläres Anstrengungsverhalten) entwickelt oder wenn es psychische Reaktionen zeigt, wie Frustration, sprachlichen Rückzug, etc., kann fachliche Unterstützung ebenso sinnvoll sein wie bei Erwachsenen. Auch wenn Eltern unsicher im Umgang mit dem Stottern ihres Kindes werden empfiehlt es sich, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Bei jungen Kindern versucht man noch, die Rückbildung des Stotterns zu begünstigen. Stotternde nach der Pubertät müssen sich auf ein Leben mit dem Stottern einstellen. Hier ist das Ziel, einen möglichst souveränen Umgang mit dem Stottern zu entwickeln und die Sprechflüssigkeit zu erhöhen. Da Stottern situationsabhängig große Schwankungen aufweisen kann, misst sich die Qualität einer Stottertherapie an den Veränderungen im Alltag.

Daher ist es bei Kindern bis zum Grundschulalter notwendig, die Eltern in die Therapie einzubeziehen. Derzeit gibt es keine Möglichkeit, Stottern zu verhindern. Wohl aber kann – je nach Alter – einem angestrengten Stottern und negativen Auswirkungen auf den Alltag und die Entwicklung von zusätzlichen Symptomen und auffälligem Begleitverhalten entweder vorgebeugt oder entgegengewirkt werden.